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Fourty and fabulous oder hallo Midlife crisis? So geht es mir mit 40

mroellin

Aktualisiert: 4. Nov. 2024


Im Oktober bin ich 40 Jahre alt geworden. Wenn ich mir diese Zahl so vor Augen führe, erschrecke ich ein bisschen. Schon sind 40 Jahre seit meiner Geburt vergangen. Statistisch gesehen ist fast die Hälfte meines Lebens um. Ich verstehe gut, dass das Ankommen in der Lebensmitte bei vielen eine kleine bis mittlere Krise auslöst. Andere feiern ihren 40. Geburtstag ausgiebig und postulieren in ihren Social Media Accounts: Fourty and fabulous! Auch ich habe gut gefeiert. Es kommt bei mir aber auch das Bedürfnis auf, diesen speziellen Geburtstag zu nutzen, um einen Moment innezuhalten. Denn es tauchen bei mir Zweifel auf: Habe ich meine Zeit sinnvoll verbracht? Habe ich meine Ziele erreicht? Hätte ich mehr aus den Jahren herausholen können/sollen/wollen sollen?


Ich habe das Bedürfnis, darüber zu reflektieren, wo ich aktuell stehe und wie es mir damit geht. Lange habe ich überlegt, in welche Form ich meine Gedanken dazu bringen kann und ob ich sie überhaupt öffentlich machen soll, denn es geht hier schliesslich um meine ganz persönliche Lebenserfahrung.


Now and then - ich vor 10 Jahren und heute

Vor ein paar Tagen habe ich eine aktuelle Challenge auf Instagram entdeckt, bei der die Leute ein Foto von sich von vor 10 Jahren und ein aktuelles Foto posten und dazu schreiben, was alles zwischendrin passiert ist. Das sähe bei mir dann so aus:


Ich mit 30 und mit 40 Jahren
Ich mit 30 Jahren (links) und mit 40 Jahren (rechts). Bilder: Michaela Röllin

Zwischen diesen beiden Fotos liegen:

  • 1 Scheidung

  • 2 Monate Reisen durch Andalusien

  • 2 Jahre Corona Pandemie

  • 1 Fernbeziehung

  • 1 Auswanderung nach Spanien

  • 1 Heirat

  • 2 Schwangerschaften

  • 1 Geburt


Ich habe mich für meine Reflexion von einer Frageliste inspirieren lassen, die ich 2020 zum Jahresende als Abschlussritual beantwortet habe. Eine ähnliche Liste mit 34 Fragen findest Du übrigens hier auf der Plattform Zeitblüten.

Die Fragen, die mich geleitet haben, sind: Was waren die prägendsten Ereignisse meiner 30er? Was waren die grössten Herausforderungen und die schönsten Momente? Welche Fähigkeiten habe ich erlernt oder gestärkt?


Warum mache ich diese persönliche Reflexion öffentlich?

Mir meine persönliche Entwicklung bewusst zu machen hat mir sehr gut getan und ich denke, dass dies auch für andere ein hilfreiches Tool sein kann. Besonders, wenn Du zu denen gehörst, die mit der 40 hadern. Aber auch, um einfach zwischendurch mal innezuhalten, wenn die Frage aufploppt: "Was mache ich hier eigentlich?" So oft sind wir fixiert auf die Ziele, die wir (noch) nicht erreicht haben und vergessen dabei fast, wie weit wir schon gekommen sind. Zudem kann es für Dich vielleicht hilfreich sein, zu hören, dass obwohl mein Leben in den letzten Jahren nicht "planmässig" verlaufen ist, ich doch sehr glücklich damit bin. Mir bewusst zu werden, mit wie viel Leben diese letzten 10 Jahre gefüllt waren, hat mir viel Gelassenheit geschenkt. Ich kann nun mit Gewissheit sagen, dass ich ganz viel aus diesen Jahren gemacht habe. Sie waren gefüllt mit wichtigen Erfahrungen (herausfordernden und glücklichen), ich habe viel über mich gelernt, meine Muster und einige blinde Flecken erkannt, bin umgefallen und wieder aufgestanden, habe mich neu erfunden, immer wieder Neues gelernt und mich überwunden.


Meine 30er – ein Jahrzehnt der Neuanfänge

 Mit Ende 20 hatte ich noch das Gefühl, dass mein Erwachsenenleben so weit “aufgegleist” ist. Ich hatte mit 29 nach 7 Jahren Beziehung geheiratet, ein Jahr zuvor einen interessanten Job in einem super Team angefangen und berufsbegleitend eine Coachingweiterbildung gemacht. Mein Mann und ich planten, zum zweiten Mal auf eine längere Reise zu gehen und danach eine Familie zu gründen. So weit, so gut. Und dann kam alles anders als gedacht.

Meine 30er waren bewegt und intensiv. Es war für mich ein Jahrzehnt der Neuanfänge. Meine Resilienz wurde geprüft und ist gewachsen. Ich habe versucht, mutig zu sein. Dabei habe ich sehr viel über mich gelernt und ganz viel gewonnen. 3 grosse Neuanfänge haben meine 30er besonders geprägt: Meine Scheidung, die Auswanderung und das Mutter werden.


Neuanfang Scheidung

Meine erste Ehe ging nur wenige Jahre nach der Hochzeit in die Brüche. Ich war 34 bei der Scheidung. Es war die bisher grösste Enttäuschung meines Lebens. Ich ging meine Ehe ziemlich naiv ein. Ich dachte: Wir sind füreinander gemacht, wir haben schon Vieles zusammen erlebt, wir wollen beide dasselbe - da kann gar nichts schief gehen. Und dementsprechend wenig haben wir in unsere Beziehung investiert, bis uns irgendwann der Alltag eingeholt hat. Es war sehr hart, mich von der Vision, die ich für mein und für unser gemeinsames Leben hatte, zu verabschieden. Ich hatte das Gefühl, um mein Glück betrogen worden zu sein. Ich empfand unsere Scheidung als grosses Scheitern und schämte mich dafür, “es” nicht geschafft zu haben. Dann das Single sein nach so vielen Jahren Beziehung. Nochmal ganz von vorne anfangen zu müssen, der Traum von der eigenen Familie in weite Ferne gerückt. Und dann, nach dem Schock, der Trauer und Verzweiflung, der Einsamkeit, kam die Akzeptanz. Und ein leicht trotziges Gefühl von “Jetzt schaue ich für mich und mache, was mir gefällt”.

Im Nachhinein tat es mir unglaublich gut, eine Zeit lang alleine zu sein. Ich habe mich selbst besser kennengelernt und viele neue, bereichernde Erfahrungen gemacht, habe den Tango Argentino und das Motorradfahren für mich entdeckt. Ich bestehende Freundschaften intensiviert und neue FreundInnen dazugewonnen. Gerade dadurch, dass ich mich verletzlich gezeigt habe, wurde ich durch mein grossartiges soziales Netz aufgefangen und gestützt.


Nach der Erfahrung, dass meine Beziehung in die Brüche ging, obwohl ich mir so so sicher gewesen war, dass sie halten würde, hatte ich zunächst grosse Angst, mich auf eine neue Partnerschaft einzulassen. Jedoch habe ich beziehungstechnisch viel dazugelernt und mich persönlich weiterentwickelt. Und ich weiss jetzt, dass eine Beziehung nicht einfach von alleine funktioniert, sondern dass beide Partner investieren, Kompromisse eingehen und an sich arbeiten müssen, damit die Beziehung gelingt und erfüllend ist. Ich führe jetzt eine Ehe, die sich reif und erwachsen anfühlt, mit einem Partner, der Dinge anspricht, Konflikte nicht scheut und der sehr committed ist. Wir beide sind diese Beziehung ganz bewusst eingegangen, im Wissen, dass einige Herausforderungen auf uns warten. Das Bewusstsein darüber, dass viele Beziehungen irgendwann zu Ende gehen und es keine Garantie dafür gibt, dass wir zusammen alt werden, macht mir nun keine Angst mehr. Vielmehr ist es für mich ein Ansporn, mich für uns einzusetzen. Auch die Erfahrung, dass ich über die nötige Resilienz verfüge, ein so einschneidendes Lebensereignis wie eine Trennung/Scheidung zu überstehen und daran zu wachsen, gibt mir Hoffnung und Kraft für alles, was das Leben noch für mich bereithält.


Neuanfang Auswanderung

2020 bin ich nach Córdoba, Andalusien, ausgewandert (siehe Blogartikel). In den 4 Jahren, die ich nun hier lebe, gab es so viel Neues, mit dem ich mich auseinandersetzen musste/durfte. So ohne mein gewohntes soziales Umfeld, ohne meine berufliche Identität, in einem neuen Zuhause mit ganz anderen Lebensumständen und einer neuen Sprache war ich herausgefordert, mich ein Stück weit neu zu erfinden. Ich merkte, dass mich das Wegfallen meiner gewohnten Lebenssäulen stark verunsicherte. Mein Selbstbewusstsein litt in der ersten Zeit sehr. Ich traute mir wenig zu. Hinzu kam die weltweite Corona Pandemie, die das Leben aller Menschen stark einschränkte. Ich fühlte mich im ersten Jahr oft wie ein Alien, das von einem anderen Planeten kommt. Obwohl ich mich in der südspanischen Kultur sehr wohl fühlte, merkte ich doch häufig, dass meine Wahrnehmung und Sichtweise sich von der meines neuen Umfeldes unterschieden. Es gab Verständnisschwierigkeiten, nicht nur aufgrund der Sprache. Ich wurde zwar herzlich aufgenommen, fühlte ich mich aber dennoch oft als Aussenseiterin, als die Fremde, die Andere. Das war für mich eine grosse Herausforderung. Ich sehnte mich danach, mühelos präzis meine Gedanken ausdrücken zu können und verstanden zu werden, ohne viel erklären zu müssen.

Ich war sehr dankbar für die Unterstützung meines Mannes in allen Lebensbereichen. Gleichzeitig war es mir unangenehm, so oft auf seine Hilfe angewiesen zu sein, war ich es doch für mich immer selbstverständlich gewesen, meine Angelegenheiten selbst zu regeln. Aufgrund meiner zu geringen Kenntnisse der Sprache und der Art, wie die Dinge hier laufen, war ich zwangsläufig in der Rolle der Lernenden. Das zu akzeptieren fiel mir teilweise sehr schwer. Ich war oft sehr ungeduldig, es ging mir alles zu langsam voran. Dieser Neuanfang in Spanien war für mich der Anlass, nochmals genau hinzuspüren, wie ich mein Leben gestalten möchte. Und dann musste ich in die Handlung kommen und mich dafür einzusetzen, was mir wichtig ist. Gleichzeitig ging es manchmal auch darum, zu akzeptieren, dass es genauso, wie ich es mir wünsche, nicht möglich sein wird und dann die bestmögliche Alternative zu suchen. Ich habe gelernt, das zu schätzen, was in meinem Leben vorhanden ist und weniger daran zu denken, was auch noch alles sein könnte. Obwohl ich subjektiv immer wieder das Gefühl hatte, stillzustehen, sehe ich rückblickend, dass eine grosse Entwicklung passiert ist - wir haben eine Familie gegründet, ich habe meine berufliche Selbstständigkeit aufgebaut und neue soziale Kontakte geknüpft. Ich habe mich persönlich weiterentwickelt, kenne meine Muster besser und habe mir neue Fähigkeiten angeeignet. Das Aliengefühl ist viel schwächer geworden. Ganz verschwinden wird es vermutlich nicht. Ich habe einen Weg gefunden, die Verbindung zur Schweiz aufrechtzuerhalten und gleichzeitig Spanien zu meinem Zuhause zu machen.


Neuanfang Mutter werden

Der herausforderndste und zugleich schönste aller Neuanfänge war für mich die Geburt meines Sohnes vor knapp 2.5 Jahren. Ich möchte anmerken, dass die Schwangerschaft und Geburt gut verliefen, mein Kind kerngesund ist und ich keine Komplikationen hatte, weder während Stillzeit noch danach. Trotzdem konnte ich nicht ahnen, wie sehr mich die körperlichen und psychologischen Veränderungen im Zusammenhang mit dem Mutterwerden beeinflussen würden. Durch das Muttersein wurde und werde ich mit Fragen zu meiner Lebensführung, meinen Idealen, Einstellungen und Rollenbildern sowie meinen eigenen ganz persönlichen Mustern und blinden psychologischen Flecken konfrontiert. Und auch das Organisieren des Alltags, die Pflege der Partnerschaft, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, das Erfüllen der Bedürfnisse aller Familienmitglieder und (vermeintlicher) Erwartungen von innen und von aussen ist ein kontinuierlicher Prozess. Das Integrieren der Mutterrolle in meine bestehende Identität ist eine hochspannende, herausfordernde Aufgabe, die jetzt mit meiner zweiten Schwangerschaft um eine neue Dimension erweitert wird.


Midlife crisis? Höchstens ein bisschen ab und zu

Also, zurück zur Frage: Fourty and fabulous oder hallo Midlife crisis? Ich mache nicht gerade Luftsprünge, weil ich 40 geworden bin (im 6. Monat schwanger wäre das auch nicht ratsam). Aber auch wenn ich manchmal melancholisch werde, wenn ich an die Jahre denke, die vergangen sind: Die grosse Krise blieb bisher auch aus. Hätte ich mehr aus meinen Lebensjahren machen können/sollen? Vielleicht. Und gleichzeitig hatte ich keine Liste mit Lebenszielen geführt, die ich bis 40 abhaken wollte. Trotzdem habe ich alles in meinem Leben, was mir wichtig ist und was ich mir gewünscht habe. Wenn ich als Kriterien für meinen Erfolg im Leben meine Zufriedenheit und mein Wohlbefinden nehme, dann fällt die Bilanz sehr positiv aus. Fühle ich mich manchmal alt? Ja. Aber ich bin auch einfach nur dankbar dafür, wie gut es mir und meiner Familie gesundheitlich geht und weiss, dass wir dem Sorge tragen müssen. Wünsche ich mir, ich wäre früher Mutter geworden? Manchmal. Und dann denke ich wieder, es ist gut, so wie es ist.


Fazit: Fourty, thankful and fabulous

Ich schaue mit Dankbarkeit und Stolz auf die vergangenen 10 Jahre zurück. Ich bin dankbar für meine kleine gesunde Familie. Für meine eigene Gesundheit. Dafür, dass ich die Möglichkeit habe, einer Arbeit nachzugehen, die mir grosse Freude macht und bei der ich maximalen Gestaltungsfreiraum habe. Für die vielen lieben Menschen, die mich auf meinem Weg begleiten. Dafür, dass ich so viel gelernt habe und mich weiterentwickle. Dafür, in Frieden, Sicherheit und in Verbindung mit der Natur leben zu dürfen. Für das Privileg, die Vorzüge von zwei grossartigen Ländern geniessen zu können. Auch wenn es dunkle Momente gab, überwogen doch klar die hellen. Ich blicke mit Optimismus in die Zukunft, freue mich darauf, was vor mir liegt. Ich bin fourty, thankful and fabulous - ohne Luftsprünge :-).


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